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Das Metalllischwerden Teil 3/3

Das Metalllischwerden

Über unser anorganisches Maschinenleben.

Teil 1/3. Der Arbeitsmensch am Scheideweg – Von Baldur Landogart

Mit geradezu magnetischer Kraft zieht es den auf das Metallische sich richtenden Menschengeist zu den amorphen Elementen. Es zeigt sich überall eine auffallende Vorliebe für das Anorganische. Im Felde der bildenden Künste – wie im ersten Teil anhand der Architektur beschrieben – und zugleich weit über diesen Bereich hinaus – wie im zweiten Teil am Beispiel der Robotik/Automatisierung dargestellt – ist der Ausdruck dafür das Erscheinen der neuen künstlichen Werkstoffe, die organisches Material durch anorganisches ersetzen. Eine Art „Galvanisierung“ (das Überziehens einer Oberfläche mit Metall unter Zugabe von elektrischem Strom) greift um sich.

Auf dieser magischen Beziehung beruhen auch die gewaltigen Erfolge der Wissenschaft. Aus der angewandten Wissenschaft – in Verbindung mit dem Geist des neuzeitlichen Kapitalismus und einer Wertschätzung der Arbeit um des Arbeitens willen – entsteht die moderne Industrie. Aus ihr entwickelt sich letztendlich der Typus des Arbeiters der totalitären Lebensordnung, wie ihn Ernst Jünger in seinen utopisch-phantastisch-technokratischen Zivilisationsentwürfen beschrieben hat.

Ein Arbeitermensch mit einer euphorischen Bereitschaft, sich dem Diktat des technisch Machbaren zu unterwerfen. Ein purer Leistungsträger, der sich jener anorganischen Lebenssphäre unterordnet, die schlussendlich den Menschen selbst mehr und mehr anorganisch und amorph zum Diener seines eigenen Geschöpfes, der Maschine, werden lässt. Dieser durchtechnisierte Mensch arbeitet mit brutalster Härte, äußerster Mobilität und Exaktheit in einem modernen Zeitalter der Extreme. Er weilt in einem Arbeiterstaat mit volkswirtschaftlich gleichgeschalteten Interessen und zentralisierten Mächten und verkommt dort zu einem Subjekt, welches sich alleine durch Arbeit konstituiert und im materialistischen Götzendienst dem Arbeitscharakter der Gesellschaft religiöse Weihen verleiht ohne dabei wirklich seinen Glauben kritisch zu überprüfen. Das moderne Selbst erschöpft sich durch Überfrachtung der Arbeit und dieselbe wird zum einzigen Entstehungsprinzip von Sinn überhaupt.

Vor allem im bürgerlichen Raum gilt moderne Technik als eine vernünftig-tugendhafte Vollkommenheit, ja gemeinhin als ein Organ des Fortschritts. Sie ist daher eng verbunden mit positiv besetzten Begriffen wie Erkenntnis, Moral, Humanität, Wirtschaft und Komfort. Die martialische Seite ihres Januskopfes passt in dieses Schema schlecht hinein, so wie etwa der Krieg den totalen Vernichtungs- und Machtcharakter der Technik enthüllt. Das Problem liegt dabei auch grundsätzlich nicht schon in der Hinwendung zur anorganischen Welt, sondern erst darin, dass diese nicht ausgewogen ist. Eine bedachte und harmonische Lebensweise speist sich aus einem Interesse an der Welt der Elemente, an technischen Erfindungen, aber ebenso auch aus einem vitalen Interesse an der Welt der organischen Natur, der Kunst und des Geistes.

Das heutige Individuum indess ist im urbanen Stadtumfeld der Industriereviere einem Verarmungs- und Deformationsprozess unterworfen. Die Individualität löst sich in der Masse der Passanten auf. Der Spaziergänger wird durch das moderne Verkehrsmittel verdrängt und ganze Bezirke scheinen von einer Verwesungsaura überlagert. Die Monotonie des technisierten Arbeitsalltags bewirkt nicht nur eine Veränderungen psychologischer und mentaler Art, sondern beeinflusst auch die Physiognomie des Arbeitssoldaten. So begegnen wir heute den „Human Resources“, deren leidvoller Anblick den wachen Beobachter mit einem Gefühl der Sinnlosigkeit erfüllt. Diese gesichtslose, deformierte Menge erinnert an die expressionistischen Untergangsvisionen eines Otto Dix oder George Grosz (Beispiel „Metropolis“), sowie an die Werke des Engländers L.S. Lowry, welcher besonders eindringlich bis erschreckend die Anonymität als auch Monotonie nordenglischer Industriepanoramen darzustellen vermochte. Lowry bestreicht eine Industriearchitektur, deren monströse Wuchtigkeit alles andere beschwert und erstickt. Die Bewohner dieser Städte geraten so zu gesichts- und konturlosen Strichmännchen, gekrümmt und geschwärzt, an der Stelle des Gesichts erscheint nur ein bleicher Fleck.

Der schnelle technische Verlauf, der dem Menschen vor allem die Eigenständigkeit von der Natur und die Ergründung ihrer Ressourcen einräumen sollte, hat einen Antrieb entwickelt, welche das Maß der befreiten Kräfte nicht mehr kontrollierbar macht. All dies trägt schwerwiegenden Folgen mit sich. Stellen wir uns nur kurz vor, wieviel an Metall, an Elementen und Kräften der Mensch in den letzten zwei- bis dreihundert Jahren dem Erdball entrissen hat, ja wieweit die totale Umwandlung der Welt bereits vorangeschritten ist.

Auch dieses Jahrhundert, das die anorgansichen Elemente beherrscht wie noch nie, ist hilflos dem wirklich Organischen gegenüber, zerstört und verwüstet die Natur in einem bisher unbekannten Ausmaß. Der Mensch vergöttert seine Erfindungskraft, durch die er die Natur zu übertreffen und zu bezwingen meint. Die Erde, von der der Mensch lebt, zwingt ihn jedoch einzusehen, dass gewisse Formen seines Denkens und Handelns zerstörerisch sind und zur Verwüstung im buchstäblichen Sinn führen.

Vergeblich versucht sich der Arbeitsmensch den von seinem niederen Geist selbst geschaffenen Bedingungen anzupassen. Er wird in dieser Welt jedoch nur unter der Bedingung „leben“ können, immer weniger Mensch zu sein. Der Mensch gehört seinem Wesen nach aber in die Sphäre der organischen Natur und der geistigen Welt. Eine Verschiebung seines Schwerpunkts in die anorganische Zone bedeutet Dehumanisierung und auch Kultur war und ist zunächst Kultur der Erde, ihrer Gewächse und Geschöpfe. Hier schließt sich nun der Kreis mit meinen ersten Ausführungen zur Architektur. Auf dieser Stufe hat auch die Kunst keine Lebensmöglichkeit, sie weicht der reinen Konstruktion.

Eine Erneuerung kann nur dort angestrebt werden, wo dieser Zustand als Krankheit empfunden wird, wo man an ihm leidet und fast verzweifelt. Ja, wenn die Verzweiflung echt ist, liegen in ihr positive Chancen. Sie kann für manche Menschen ein Akt werden, in dem die Tiefe ihrer Existenz aufbricht, und sie erfahren, auf welche Sinngehalte ihr Dasein mit unwiderruflicher Notwendigkeit angelegt ist. Vielleicht liegt so die Hoffnung gerade dort, wo am tiefsten unter diesen Zuständen gelittten wird und am meisten muss das Abendland leiden, das Vorbild und Lichtträger der Welt war und wir als seine Völker. So manches, was dabei als Rückständig gilt, kann sich als Ausgangspunkt eines wirklichen inneren Fortschritts erweisen, denn jung erscheint, was seinem Ursprung nahe ist.

 

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