logo
logo

Backe, backe Kunst; Malerei ad absurdum Teil 2/2

Backe, backe Kunst; Malerei ad absurdum

Am Beispiel des Jahrhundertfälschers Beltracchi.

Teil 2/2 – Von Baldur Landogart

Der Bildfälscher Beltracchi stolperte über seine eigene Faulheit. Überführt hat in letztendlich kein kunsthistorisches Gutachten, sondern ein Labor, eine naturwissenschaftliche Untersuchung. Anstatt eine Farbe selber anzurühren, benutzte er für ein Gemälde des rheinischen Expressionisten Heinrich Campendonk eine Farbtube. Zinkweiß stand darauf, es enthielt aber auch Titanweiß. Dieses Titanweiß war zur angeblichen Entstehungszeit um 1914 noch nicht im Handel.

Diese Farben, diese Frische“, schwärmte zuvor die Fachwelt. Man denkt an dieser Stelle unweigerlich an das Märchen von „Des Kaisers neue Kleider“. Die Malerei „Rotes Bild mit Pferden“ erzielte den höchsten Preis, der je für ein Campendonkgemälde gezahlt wurde (Kunsthaus Lempers ca. 2,88 Millionen).

Wolfgang Beltracchi hatte vor aufzuhören, konnte es aber nicht. Mit dem Gewinn aus dem Verkauf der letzten beiden Bilder wollte er einen Palazzo in Venedig erwerben. Daraus wurde jedoch nichts und statt eines Dogenlebens musste er seine Räumlichkeiten erst einmal gegen eine Zelle tauschen. Im Herbst 2010 wurde Beltracchi, dem es noch im Gerichtssaal gelang, Lacher auf seiner Seite zu haben, zu 6 Jahren, seine Frau Helene zu 4 Jahren Haft verurteilt. Sogar im Gefängnis erhielt Fälschungsaufträge, welche er direkt an das – früher verfeindete – BKA weiterleitete.

Einen Teil der Strafe verbrachte er im offenen Vollzug, ein anderer wurde dank eines „Deals“ und eines Geständnises zur Bewährung ausgesetzt – ein mildes Urteil! Der Mann hatte immerhin mit seinen bewiesenen Fälschungen 16 Millionen Euro verdient und einen Schaden von 35 Millionen Euro angerichtet!

Nach Verbüßung seiner Haft macht sich Beltracchi weiter an Staffelei und Leinwand zu schaffen. Es bleibt ihm auch kaum etwas anderes übrig. Bis 2017 müssen die Beltracchis insgesamt 20 Millionen Euro an ihre Gläubiger bezahlen, darunter 2 Millionen Euro Schadensersatz an die maltesische Firma „Trasteco Limited“ des israelischen Unternehmers Vadim Shulman.

Ein Insolvenzverwalter verrechnet die Einnahmen, die reichlich fließen. Prominente stehen Schlange, um sich von Beltracchi porträtieren zu lassen. Ab 60 000 Euro kann man ein „echtes Bild“ vom Großfälscher erwerben. Drehbuchautoren aus den USA schicken Manuskripte für Serien. Es folgt eine Hochstaplerkomödie des Regisseurs Arne Birkenstock als Kinofilm, gefördert durch die „Film und Medienstiftung NRW“, „Deutscher Filmförderfonds“, „Beauftragter der Bundesregierung für Kultur und Medien“. Birkenstock ist der Sohn des bekannten Anwalts und SPD-Mitglieds Reinhard Birkenstock, der einer der Verteidiger der Beltracchis war. Außerdem hat Beltracchi seine Geschichte in einem Buch vermarktet.

Vielleicht hat Beltracchi es irgendwann redlich mit einem eigenen Stil versucht, der Kunstbetrieb nahm jedenfalls keine Notiz davon. Aus Geldgier begann er zu fälschen. Wer aber rund 40 Jahre lang wie andere malt, entwickelt naturgemäß keine persönliche Handschrift. Er muss jeglichen Wiedererkennungswert geradezu meiden und bringt sich so um eine zentrale Karrierevoraussetzung. Selbst bei eigenen Vernissagen ist Beltracchis „Stil“ nur Kopie oder nicht greifbar. Sogar die Signatur auf jedem seiner Bilder sieht anders aus, sie ist dem Werk angepasst.

Wolfgang Beltracchi hingegen genießt seinen Ruhm nach den Jahren seiner Anonymität. Berühmt als Jahrhundertfälscher, der dem gierigen Markt den Spiegel vorhält, so möchte er gesehen werden. Jetzt kann er mit seinem früheren Leben kokettieren. Dabei hat er den modernen Kunstmarkt lediglich in ein im gemäßes Chaos gestürzt. Er machte sich dessen Gier und Eitelkeit zu Nutzen, war jedoch selbst genauso gierig wie all jene, die er später anklagte. Das ist nicht vergnügungssteuerpflichtig aber immerhin; ein Kleckser, der Popstar geworden ist. Ein Schneider des Kaisers neue Kleider.

Wenn es Kunst gibt, muss es auch Antikunst geben und Beltracchi ist ein Antikünstler. Selbstverständlich imitierte Beltracchi keine gegenständlich/realistisch schaffenden Renaissancemaler – dies kann er gar nicht – sondern lediglich abstrakte Gegenwartspinsler. Die einzige Kunst des sogenannten Lebenskünstler war und ist es, ins Gespräch zu kommen, Aufmerksamkeit zu erheischen und Geld zu verdienen.

Selbst Pablo Picasso stellte am Ende seiner Bildnereikarriere selbstkritisch fest: „Seit die Kunst nicht mehr Nahrung der Besten ist, kann der Künstler sein Talent für alle Launen und Wandlungen seiner Phantasie verwenden. Alle Wege stehen einem intellektuellen Scharlatanismus offen. Das Volk findet in der Kunst weder Trost noch Erhebung. Aber die Raffinierten, die Reichen, die Nichtstuer und Effekthascher suchen in ihr Neuheit, Seltsamkeit, Originalität, Verstiegenheit und Anstößigkeit. Seit dem Kubismus, ja schon früher, habe ich selbst alle diese Kritiker mit den zahllosen Scherzen zufriedengestellt, die mir einfielen, und die sie um so mehr bewunderten, je weniger sie ihnen verständlich waren. Durch diese Spielerei, die Rätsel habe ich mich schnell berühmt gemacht. Und der Ruhm bedeutet für den Künstler: Verkauf, Vermögen, Reichtum! Ich bin heute nicht nur berühmt, sondern auch reich. Wenn ich aber allein mit mir bin, kann ich mich nicht als Künstler betrachten im großen Sinne des Wortes. Ich bin nur ein Spaßmacher, der seine Zeit verstanden hat und alles, was er nur konnte, herausgeholt hat aus der Dummheit, der Lüsternheit und Eitelkeit seiner Zeitgenossen.“

Die heutigen „Kunstwerke“ können an sich nicht verstanden werden, sondern benötigen als Daseinsberechtigung erst eine schwulstige Gebrauchsanweisung. Kritiker versuchen in ihren Beiträgen das angebliche Wollen des Künstlers herauszuinterpretieren, nicht aber das eigentliche Können. Dies alles interessiert wirkliche Kunstliebhaber nicht. Diese wollen nicht wissen, was der Künstler damit ausdrücken wollte, sondern was er ausgedrückt hat. Nicht Literaten sind die Gestalter einer neuen Epoche, sondern die Kämpfer, d.h. die wirklich gestaltenden, völkerführenden und damit geschichtemachenden Erscheinungen.

Nach ursprünglicher Auffassung hat Kunst dem Wahren, Schönen und Guten zu dienen und nicht dem Erschrecken, der Provokation, der Lächerlichkeit oder der vollkommenen Enttabuisierung. Kunst ist die höchste Form eines menschlich-kulturellen Prozesses – hier auch wiederum vor der profanen die sakrale Kunst.

Sie ist ein Platz der Andacht, ein Ort der Erbauung, des Friedens, ein Ort, wo man tiefe seelische Hilfe bekommt, wo man den richtigen Weg wiederfindet, den man verloren hat. Kunst muß wertvoll sein und Werte aufbauen und nicht Werte zerstören und in ihr muß sich jeder Mensch zu Hause fühlen, geborgen wie in der Heimat.

Als Kritiker hätte hier das Volk als Souverän zu fungieren und alleine durch seine Teilnahme bzw. Nichtteilnahme ein unmißverständliches Urteil abzugeben. Das Volk wandte sich nie mit wirklichem Interesse der zeitgenössischen Malerei zu, es hat zu dieser Art der Darstellung kein Verständnis. Es hinterfragt und kritisiert dieselbe allerdings auch nicht. So sind auch heutige Ausstellungen der „Gegenwartskunst“ stets Angelegenheiten einer kleinen Gesellschafts- und Oberschicht.

Auf allen Gebieten des kulturellen Lebens herrschen Verfall und Fremdbestimmung vor. Die Aneignung der Kultur durch die kapitalistische Industrie hat diese dem Gewinnanliegen des Kapitals untergeordnet und somit von den ursprünglichen Bestimmungen entfernt. Über die Massenmedien wird eine oberflächliche, weitgehend festgelegte und einfache Verbrauchs- und Wegwerfkultur verbreitet. Sie sind eine geistige Waffe der liberalistischen Weltbürger, mit deren Hilfe sie ihre politische und ideologische Vorherrschaft absichern.

Die politische Macht der Herrschenden stützt sich jedoch stets nicht nur auf einen Machtapparat mit seinen Einrichtungen oder auf seine parlamentarischen Mandatsverteilungen. Sie ist auch zusätzlich von der Zustimmung der Bevölkerung in den moralischen Anschauungen und Wertvorstellungen abhängig. Wir müssen den Herrschenden die kulturelle Vorherrschaft entreißen, denn jeder politischen Erneuerung muß eine geistig-kulturelle Erneuerung vorausgehen. Dies geht aber nicht durch kindische Versuche, eine Einflußnahme auf den herrschenden Kulturbetrieb auszuüben. Es genügt auch nicht, Unbehagen festzustellen und Zustände zu beklagen. Wir selbst müssen für eine umfassende kulturelle und sittliche Erneuerung eintreten.

Von den kleinsten Anfängen ausgehend, muß eine Gegenkultur aufgebaut werden. Erst wenn die Menschen auch nennenswert unsere Bücher kaufen, unsere Magazine lesen und unsere Filme ansehen, wird die kulturelle Macht der Herrschenden untergraben und womöglich gebrochen.

Leave a reply

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmst du der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn Sie diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klicken, erklären Sie sich damit einverstanden und Sie bestätigen, dass Sie meine "Datenschutz & DSGVO-Erklärung" - unter dem Menüpunkt "Rechtliches" gelesen haben.

Schließen