Das Metalllischwerden
Über unser anorganisches Maschinenleben.
Teil 1/3. Grundriss und Architektur – Von Baldur Landogart
Zu Beginn meiner Ausführungen nahm ich Bezug auf die Architektur, welcher immer häufiger eine Form gegeben wird, die an Maschinen oder zumindest an Teile von Maschinen erinnert. Die Oberfläche wird verwandelt. Dass gleiche gilt für die einzelnen, selbst kleinsten Baubestandteile wie einer Türklinke oder einem Möbelknauf. Eine Liebe zum Detail ist nicht mehr zu erkennen.
Somit sind viele Bauten wie Wohnhäuser, Hotels, Theater, ja sogar mittlerweile Kirchen äußerlich nicht mehr von Fabrikräumen oder Autogaragen zu unterscheiden.
Die Fertigungstechnik einer industriellen Produktionsstätte wird vollständig auf das neue Bauen übertragen. So kann ein Fenster oder ein Tisch in seiner Optik für ein Asylheim, eine Büroräumlichkeit oder eine Villa fast das gleiche sein. Demzufolge werden tendenziell fast alle Elemente des Bauens zunehmend serienmäßig in Fabriken hergestellt und dort nach bolschewistischer Manier auf Monotonie genormt. Diese radikale Gleichmacherei verlangt vom Menschen, sich umzuformen sodass er in die Maschinensphäre passt.
Eine noch größere Beeinflussung des menschlich-natürlichen Lebens stellt jedoch bereits jetzt die Automatisierungs- und Robotertechnik dar. In diesem Zusammenhang ist besonders zu erwähnen, dass die technische Entwicklung in der Menschheitsgeschichte exponentiell verläuft: Sie beschleunigt sich also von Jahrhundert zu Jahrhundert – und wird in den kommenden Jahren und Jahrzehnten noch rasanter voran schreiten. Hierbei sind interessanterweise weniger grundsätzliche Neuerfindungen zu beobachten, als vielmehr Weiterentwicklungen oder Verstärkungen bestehender Erkenntnise und Entdeckungen.
So sind auch Roboter auf dem Vormarsch; sie laufen, fahren, fliegen oder schwimmen uns entgegen. Das Erstaunen war groß, als bereits 1996 ein IBM-Schachgroßrechner den damals amtierenden Schachweltmeister Garri Kasparow schlug, den viele für den besten Spieler aller Zeiten hielten. Mittlerweile fahren Autos ohne Fahrer und so manche Computerprogramme diagnostizieren Patienten besser als ein Arzt. Zudem werden in vielen Krankenhäusern Roboter immer häufiger bei komplexeren Operationen eingesetzt.
In Fabriken übernehmen technische Apparaturen immer mehr Arbeitsgänge. Gebaut werden Roboter für die Weltraumstation, für die Erkundung der Tiefsee, für die Arbeit in Hafenbecken, für das Melken von Kühen oder das Ernten von Lebensmitteln verschiedenster Art.
Diese Maschinen sind nicht nur schnell und präzise. „Businessprogramme“ reduzieren alle Fragen zu einer nüchternen Kosten-Nutzen-Kalkulation. Sie sind frei von Gefühlen und menschlichen Fehlern.
In Japan tragen bereits jetzt viele Roboter Einkäufe nach Hause. Der „Arbeitskollege Roboter“ saugt den Boden, mäht den Rasen, klagt auch nicht wegen Überstunden und unterhält am Abend die ganze Familie mit Musik- und Bewegungsdarbietungen. Androide sollen nach Wünschen mancher Entwickler und Konzerne auch Spielgefährten von Kindern, Sexualpartner von Erwachsenen oder verständnisvolle Verwandte von vereinsamten Senioren werden.
Insofern sollen Roboter auch konsequenterweise im militärischen Bereich eine immer größere Rolle spielen. Der Astrophysiker Stephen Hawking, Apple-Co-Gründer Steve Wozniak oder der jüdischstämmige links-intellektuelle Sprachwissenschaftler Noam Chomsky (die sich alle grundsätzlich für künstliche Intelligenz zur angeblichen Heilsbringung der Menschheit aussprechen) reden bereits von einer dritten Revolution der Kriegsführung nach der Erfindung des Schießpulvers und der Nuklearwaffen. Sie sprechen sich nun für ein Verbot von autonomen Kampfrobotern und Kampfdrohnen aus, wie sie die USA beispielsweise im Kampf gegen mutmaßliche Feinde mißbrauchen.
Zumindest teilautonome Waffensysteme sind derzeit nicht nur in der Entwicklung, sondern auch längst im Einsatz. An der Grenze zwischen Nord- und Südkorea stehen ferngesteuerte „Security Guard Robots“ mit Maschinengewehren. Israelische „Harpy“-Drohnen können feindliche Radarstellungen erfassen und sogar selbständig angreifen. Das „NBS Mantis“-System des Rüstungsunternehmens Rheinmetall kann automatisch Ziele erfassen und beschießen, der Benutzer muss das System nur überwachen.
Jedes Teil aus denen eine solche Maschine besteht – so unterschiedlich die Objekte auch sein mögen – arbeitet auf eine unglaublich exakte Art und Weise, sodass es seine Rolle gemäß dem jeweiligen Zweck erfüllt, zu dem es bestimmt ist. Es tut dies mit einer geradezu teuflischen Regelmäßig- und Gleichförmigkeit, als wüßte es um seine Aufgabe, um einen Plan vom Ganzen und wäre stets darum besorgt, dieser Pflicht nachzukommen.
In der Literatur der Romantik wurde parallel zur technischen Revolution auch der künstliche Mensch zum Thema, ja sogar bereits in der Dichtung der Antike waren es oft Fabelwesen, welche als Maschinen bezeichnet oder zumindest als etwas mechanisches dargestellt wurden. Hephaistos, der Beherscher des Feuers und einziger der olympischen Götter, dessen Körper missgestaltet war, soll unter anderem den bronzenen Riesen Talos und mechanische Frauen aus Gold konstruiert haben, die ihn stützten, da seine Beine zu schwach waren.
In Märchen taucht häufig der Teufel im Zusammenhang mit Mühlen und anderen technischen Gebilden auf und der Begriff „Teufelswerk“ wurde noch bei unseren Großeltern oft bei der Einführung einer neuen Technologie benutzt.
Es ist nicht vorhersehbar, wie weit der Mensch in der Zukunft noch absteigen kann. Ein tieferstehendes Idol als eine dämonische Überwachungs- und Kampfmaschine ist kaum vorstellbar.
Immer klarer zeichnet sich schon jetzt ab, dass die großen Probleme der Menschheit nicht technologisch lösbar sind. Im Gegenteil, durch eine übertriebene Maschinisierung werden derselben noch erheblich verstärkt.
So ist auch zu beobachten, das die Digitalisierung die guten Arbeitsstellen mit höheren Löhnen vernichten und den Arbeitern die schlecht bezahlten „Jobs“ hinterlässt. Bislang verloren durch Automatisierung eher die Geringqualifizierten ihre Arbeit, da Maschinen bekanntermaßen viele Arbeitsplätze übernahmen – jetzt trifft es auch die gut Ausgebildeten und Akademiker.
Nun dringen Computer auch in Bürosphären ein und treten gegen Dienstleister an. Anwälte wetteifern mit digitalen Algorithmen, welche kostenlos und zeitnah passende Antworten auf Rechtsfragen senden; „Controller“ konkurrieren im firmeninternen Berichtswesen mit schneller „Software“. Ebenso ergeht es Journalisten, welche sich gegen Computerprogramme durchsetzen müssen, die im Sekundentakt umfangreiche Textbausteine ausspucken. Selbst Köche werden von Maschinen herausgefordert, die aus Datenbanken und Schlüsselbegriffen diverse Rezepte zusammenstellen.
Aus den beschriebenen Ursachen heraus lassen sich beispielhaft folgende Teilphänomene des gegenwärtigen Weltzustandes beschreiben: Mechanisierung, Maschinisierung daraus folgend Materialismus, Bürokratismus, Rationalismus und Totalitarismus. Die unmittelbaren Ergebnisse sind eine massive Kultur-, Umwelt- und Existenzzerstörung. Die Erkenntnis diesbezüglich darf nicht nur eine theoretische, sie muss zugleich auch eine praktische sein. Sie muss zur sittlichen Umgestaltung des Lebens aufrufen und zur Umwertung der Werte bewegen. Der Hebel ist nicht außen anzusetzen, im Allgemeinen, sondern in uns selbst. Hierzu mehr im nächsten und vorerst letzten Teil des „Metallischwerdens“.
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